Lehrausbildung legt Grundstein für gesunden Rücken
Jeder zweite Deutsche klagt über Rückenschmerzen. In den Industrieländern erleiden 80 % der Bevölkerung mindestens einmal im Leben eine Muskel-/Skeletterkrankung. Viele Probleme entstehen durch ungünstige Körperhaltungen (Zwangshaltungen) oder das Heben und Tragen von schweren Lasten.
Selbst junge Menschen klagen bereits über erhebliche Probleme, verursacht durch Bewegungsmangel und langes Sitzen vor dem Computer. Eine frühe und gezielte Vorbeugung ist deshalb besonderes wichtig. Sie sollte im Kindergarten oder der Schule beginnen und in Berufsschulen bspw. mit der Vermittlung ergonomischer Arbeitsweisen fortgesetzt werden.
In jedem Berufszweig gibt es Sachverhalte zu beachten, die einen gesunden Rücken fördern. Wichtig sind hier die Verhaltens- und Verhältnisprävention. Richtiges Verhalten, rückenschonende Arbeitsweisen, aber auch entsprechend ergonomisch gestaltete Arbeitsmittel, Mobiliar oder der Einsatz von Hebehilfen sind geeignet, um einen gesunden Rücken zu behalten.
Es gibt Berufe, bei denen zwar keine Lasten zu heben sind, wo es aber dennoch durch Zwangshaltungen oder falsches Sitzen zu Verspannungen kommen kann. Beispielhaft hierfür sind Ausbildungen mit späterer Bürotätigkeit sowie alle anderen Berufe mit Computerarbeitsplätzen. Jede Bürokauffrau lernt in ihrer Ausbildung, wie sie ihren Computerarbeitsplatz ergonomisch richtig einzurichten hat. Fragen hierzu sind sogar Thema in Prüfungen. Die Vermittlung dieses Wissens und damit der Erwerb der Befähigung sich rückengerecht zu verhalten, sind ein geeigneter Weg im Sinne einer wirksamen Prävention.
Bei anderen Berufen gehört das Heben und Tragen schwerer Lasten zum so genannten Tagesgeschäft. Hier ist es unerlässlich, den Jugendlichen gleich mit Beginn der Ausbildung die richtigen Verhaltensweisen und die Benutzung von Hilfsmitteln beizubringen. Ihnen muss vermittelt werden, dass es Gesetze wie das "Jugendarbeitsschutzgesetz" und die "Verordnung zur Handhabung von Lasten" gibt. Darin fordert der Gesetzgeber bspw., dass Jugendliche physisch nicht überlastet werden dürfen. Die Lastenhandhabungsverordnung verlangt vom Arbeitgeber zweckmäßige organisatorische Maßnahmen sowie den Einsatz geeigneter Arbeitsmittel, insbesondere mechanischer Ausrüstungen. Damit soll manuelles Heben von Lasten weitestgehend vermieden werden, das für die Beschäftigten eine Gefährdung der Sicherheit und Gesundheit, besonders der Lendenwirbelsäule bedeutet.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales empfiehlt, dass die zumutbare Last für Frauen 15 kg nicht übersteigen soll, bei häufigem Heben 10 kg. Für männliche Jugendliche ist die Last auf 35 kg zu beschränken, bei häufigem Heben auf 20 kg. Besonders in handwerklichen Berufen sowie in der Kranken- und Altenpflege ist es nicht immer einfach, die angegebenen Gewichte einzuhalten. Deshalb steht gerade hier der Arbeitgeber in der Pflicht, Hilfsmittel, Hebezeuge und geeignete Transportmittel zur Verfügung zu stellen. Die Kenntnis dieser Sachverhalte wird hoffentlich dazu führen, dass in der späteren Praxis rückengerechte Techniken angewendet werden und im Bedarfsfall der Arbeitgeber auf die Notwendigkeit der Beschaffung von Hilfsmitteln aufmerksam gemacht wird.
Bandscheibenerkrankungen als Berufskrankheit
Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Hals- und Lendenwirbelsäule können unter bestimmten Voraussetzungen als Berufskrankheit anerkannt werden. Allerdings hat der Gesetzgeber die Kriterien zur Anerkennung verschärft definiert (Merkblatt BK 2108 BKV). Danach ....
- muss die Erkrankung überwiegend durch die berufliche Tätigkeit entstanden sein,
- muss langjährig in einer überwiegenden Zahl von Arbeitsschichten eine gewisse Anzahl von Hebevorgängen durchführt werden,
- muss die gefährdende Tätigkeit aufgegeben worden sein.
Aufgrund dieser strengen Kriterien ist die Anerkennungsrate als Berufskrankheit sehr gering. So gab es bei bundesweit ca. 6.600 Anzeigen im Jahr 2004 lediglich 212 Anerkennungen, das sind nur etwa 3 %. Auch deswegen muss den Jugendlichen bewusst gemacht werden, dass sie nur präventiv etwas tun können, um eine Erkrankung ihrer Wirbelsäule und deren Folgen zu vermeiden. Im Übrigen wurde das Merkblatt zur BK-Nr. 2108 gemäß Bekanntmachung des BMAS vom 01.09.2006 aktualisiert und steht zum Download unter www.baua.de, Navigationspunkte Themen von A-Z / Berufskrankheiten / Dokumente / Merkblätter zur Verfügung.
Besonders in der Kranken- und Altenpflege ist es nicht möglich, die heute immer schwerer werdenden Patienten zu heben. Das vom Bundesverband der Unfallkassen erarbeitete Präventionsprogramm "Rückengerechter Patiententransfer" wird nicht nur auf den Stationen der Krankenhäuser vermittelt, sondern bereits den Auszubildenden in den Krankenpflegeschulen. Werden gleich die richtigen Techniken erlernt, kommen falsche Verhaltensweisen gar nicht erst auf. Die Schüler lernen, Patienten mit kleinen und großen Hilfsmitteln oder geeigneten Techniken zu bewegen ohne sie anzuheben, dabei die Wirbelsäule gerade zu lassen und nicht zu belasten. Dieser Lernprozess ist insbesondere in diesem Ausbildungsstadium wichtig, weil es viel schwerer ist, vertraute langjährige Verhaltens- und Bewegungstechniken später wieder abzustellen.
Mit der Berufsausbildung wird also ein sehr wichtiger Grundstein für das gesamte berufliche Leben gelegt. Denn an dem Spruch "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr" ist doch etwas wahres dran.
(aus "Sicherheitsforum" 4-2006)