Infektionsschutz im Gesundheitsdienst
Entgegen früheren Erwartungen haben Infektionskrankheiten - insbesondere im Gesundheitsdienst - nicht an Bedeutung verloren. Sie spielen noch immer eine wichtige Rolle im Berufskrankheitengeschehen.
Durch den Einsatz von Antibiotika galten sie lange Zeit als erfolgreich behandelbar. Viruserkrankungen wie Aids oder Hepatitis C können bis heute allerdings nicht direkt therapiert werden. Zudem gibt es inzwischen bakterielle Erkrankungen, auf die Medikamente nicht mehr ansprechen (Multiresistenz). Ein wirkungsvoller Schutz gegen Infektionserkrankungen ist deshalb besonders im Gesundheitsdienst unumgänglich. Zum Infektionsschutz gibt es zahlreiche, z. T. gerade erst aktualisierte Rechtsgrundlagen, die konsequent umzusetzen sind und nachfolgend vorgestellt werden.
Infektionsschutzgesetz - IfSG
Am 1. Januar 2001 trat das Infektionsschutzgesetz in Kraft und löste dabei das bislang geltende Bundesseuchengesetz ab. Das IfSG hat den Zweck, "übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern" (§ 1 IfSG). Ein wichtiges Mittel zum Erreichen des Zieles ist das Meldewesen, welches im IfSG einen breiten Raum einnimmt (§§ 6 - 15 IfSG) und auf eine neue Basis gestellt wird.
Ein wesentlicher Abschnitt befasst sich mit der Verhütung übertragbarer Krankheiten. So werden in § 20 Abs. 2 die STIKO (Ständige Impfkommission beim Robert-Koch-Institut) und in § 23 Abs. 2 die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRIKO) gesetzlich verankert und ihre Aufgaben beschrieben. Bislang haben beide Kommissionen ihre Mitteilungen als Empfehlungen bezeichnet. Künftig sind Mitteilungen von Kommissionen am Robert-Koch-Institut in Auslegung des IfSG als "Leitlinien" bzw. "Standards" zu bewerten. Dies bedeutet, dass man sich an diese Leitlinien halten sollte, es sei denn, ein Abweichen ist im Einzelfall begründet. Hieraus ergibt sich ein wenig mehr Rechtssicherheit hinsichtlich der Anwendung und Beachtung derartiger Mitteilungen.
Weiterhin enthält das Infektionsschutzgesetz Angaben zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten, Vorschriften für Schulen und sonstige Gemeinschaftseinrichtungen, Angaben zur Beschaffenheit von Schwimm- und Badebeckenwasser, gesundheitliche Anforderungen an das Personal beim Umgang mit Lebensmitteln sowie Anforderungen bei Tätigkeiten mit Krankheitserregern.
Biostoffverordnung - BioStoffV
Eine weitere Rechtsquelle zur Infektionsprävention ist neben dem Infektionsschutzgesetz vor allem die Biostoffverordnung (vom 27. Januar 1999), die eine enge Verzahnung zum Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) aufweist. Sie dient dem Schutz der Beschäftigten bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen sowie einschließlich der Tätigkeiten in deren Gefahrenbereich. Die gebotene Informationsbeschaffung, die geforderte umfangreiche Gefährdungsbeurteilung und die Festlegung von Schutzmaßnahmen soll das gewährleisten.
Ergänzt wird dies durch Mindestanforderungen zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (§ 15 BioStoffV). Der § 15 Abs. 1 verpflichtet den Arbeitgeber seinen Beschäftigten Vorsorgeuntersuchungen anzubieten. Anlage IV BioStoffV konkretisiert die verpflichtenden arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen im Sinne eines gesetzlich vorgegebenen Minimalprogramms, in Abhängigkeit von Tätigkeitsbereichen und biologischen Arbeitsstoffen. § 15 Abs. 2 enthält Aussagen zu den Angebotsuntersuchungen, ohne dabei auf Untersuchungsfristen einzugehen. Es ist aber zu erwarten, dass solche vom ABAS (Ausschuss für biologische Arbeitsstoffe) in einer noch zu erarbeitenden TRBA (Technische Regel für biologische Arbeitsstoffe - von denen es bereits eine ganze Reihe gibt) festgelegt werden.
Konsequenterweise bestimmt § 15 Abs. 4 BioStoffV, dass Beschäftigten, die biologischen Arbeitsstoffen ausgesetzt sein können, Impfungen anzubieten sind, vorausgesetzt es steht ein wirksamer Impfstoff zur Verfügung. Hierbei handelt es sich um eine Angebotspflicht des Arbeitgebers. Eine Verpflichtung des Beschäftigten sich der Impfung auch zu unterziehen besteht dagegen nicht. Entsprechende Überzeugungsarbeit zur Annahme der angebotenen Impfungen kann notwendig sein.
UVV "Arbeitsmedizinische Vorsorge"
Infektionsschutzgesetz und Biostoffverordnung werden durch die schon seit längerem gültige Unfallverhütungsvorschrift (UVV) "Arbeitsmedizinische Vorsorge" (GUV 0.6) ergänzt. Diese war bislang auch die Rechtsgrundlage für die im Gesundheitsdienst erforderlichen arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen bezüglich Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung. Zur Anwendung kommt dabei der gleichnamige Berufsgenossenschaftliche Grundsatz G 42, der nur von entsprechend ermächtigten Ärzten durchgeführt werden kann. Die UVV regelt weiterhin Fristen für Erst- und Nachuntersuchungen, für nachgehende Untersuchungen beim Umgang mit krebserzeugenden Gefahrstoffen, Aufbewahrungsfristen für die Gesundheitsakte sowie sonstige besondere Bestimmungen.
UVV "Gesundheitsdienst"
Parallel zu den Verpflichtungen zur Impfprävention nach IfSG und BioStoffV sowie den Leitlinien (früher Empfehlungen) der STIKO muss der Arbeitgeber im Gesundheitsdienst nach § 4 der UVV "Gesundheitsdienst" (GUV 8.1) den Beschäftigten eine Immunisierung kostenlos ermöglichen. Der relativ umfassende Geltungsbereich der UVV ist § 1 zu entnehmen. Vor der Durchführung einer Immunisierung ist sicherzustellen, dass die Beschäftigten über die für sie in Frage kommenden Maßnahmen zur Immunisierung bei Aufnahme der Tätigkeit und bei gegebener Veranlassung unterrichtet werden. Die Immunisierungsmaßnahmen sind im Einvernehmen mit dem Arzt, der die arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen durchführt, festzulegen. In Arbeitsbereichen mit erhöhter Infektionsgefährdung dürfen nur Personen beschäftigt werden, die über die dabei mögliche Infektionsgefährdung unterrichtet sind (§§ 18, 20 UVV GUV 8.1).
Berufsgenossenschaftlicher Grundsatz G 42
Je nach Gefährdungssituation und epidemiologischen Erkenntnissen sind die Angaben des Anhangs IV BioStoffV gerade bei Beschäftigten im Gesundheitsdienst nicht ausreichend, da weitere Erreger vorkommen können. Konkretisierungen in Form einer TRBA, erarbeitet und herausgegeben vom ABAS (§ 17 Abs. 3 BioStoffV) gibt es bislang nicht. Fachkreise und Überwachungsbehörden sind sich darin einig, dass der Berufsgenossenschaftliche Grundsatz G 42 für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen bzgl. "Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung" weiterhin für entsprechende Bewertungen als Standard heranzuziehen ist. Diese Situation berücksichtigend wurde der Grundsatz G 42 einschließlich der dazugehörigen Auswahlkriterien (ZH 1/600.42 bzw. BGI 405-42) überarbeitet und im Jahr 1998 wesentlich erweitert herausgegeben.
Der G 42 gliedert sich in zwei Teile, einen Elementarteil sowie einen speziellen Teil, nach denen die ermächtigten Ärzte vorgehen. Der Elementarteil beschreibt Inhalt und Herangehensweise sowie die arbeitsmedizinischen Kriterien der Untersuchung. Der spezielle Teil enthält detaillierte Informationen (Vorkommen, Übertragungsweg, Krankheitsbild u.s.w.) zu 42 unterschiedlichen Krankheitserregern.
Die Auswahlkriterien zum G 42 wurden ebenfalls deutlich erweitert. Sie enthalten neben dem Gesundheitsdienst als klassischem Bereich erhöhter Infektionsgefährdung auch eine Vielzahl anderer Tätigkeiten in 6 speziellen Arbeitsbereichen. Hierzu gehören u. a. die Bereiche Abfallsammlung/-behandlung, Umgang mit Abwässern, Tierhaltung, Lebensmittelproduktion sowie Klima- und Raumlufttechnik. Die Auswahlkriterien sind ein geeignetes Instrumentarium und eine wirksame Hilfe bei der Festlegung von Schutzmaßnahmen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung.
In Abhängigkeit von Arbeitsbereichen und Tätigkeiten in Verbindung mit den jeweils vorkommenden Erregern kann anhand von Auswahlkriterien entschieden werden, ob die Durchführung des G 42 und/oder Impfungen notwendig oder ob diese erst bei Vorliegen besonderer Bedingungen (Ergebnis der Gefährdungsanalyse) anzuwenden sind. Weiterhin ist zu entnehmen, wann eine Vorsorgeberatung als Maßnahme ausreicht. Die Auswahlkriterien berücksichtigen dabei Berufsrelevanz, Schweregrad der Erkrankung, Präventionsmöglichkeiten, Übertragungswege sowie Infektionsquellen für die einzelnen Erreger. Weder der Arbeitgeber noch der beratende Betriebsarzt können bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben und Verpflichtungen auf die Auswahlkriterien zum G 42 verzichten.
Merkblatt "Verhütung von Infektionskrankheiten"
Das im Februar 2001 erschienene Merkblatt "Verhütung von Infektionskrankheiten - Information für Beschäftigte im Gesundheitsdienst" (GUV 28.18) informiert in erster Linie über die Infektionserkrankungen, die vorrangig als Berufskrankheiten bei Beschäftigten im Gesundheitsdienst eine Rolle spielen (Hepatitis A, B, C, Tuberkulose, HIV). Im Mittelpunkt stehen Schutzmaßnahmen zur Verhütung von Infektionserkrankungen, insbesondere Hygienemaßnahmen, zu verwendende persönliche Schutzausrüstung sowie arbeitsmedizinische Vorsorge und Immunisierungsmöglichkeiten. Außerdem sind Hinweise zum Vorgehen nach Unfällen bzw. Zwischenfällen mit Infektionsgefahr enthalten. Jeder Beschäftigte im Gesundheitsdienst sollte Zugang zu dieser Broschüre haben.
Merkblatt zur BK- Nr. 3101 der Anlage zur BKV
Das Merkblatt zur BK-Nr. 3101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) betrifft Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder im Laboratorium tätig ist oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war. Es wurde in einer Neufassung vom ärztlichen Sachverständigenbeirat beim BMA verabschiedet und im Bundesarbeitsblatt 1/2001 bekannt gemacht.
Die Problematik der Anerkennung von Infektionskrankheiten als Berufskrankheit besteht darin, dass zur Anerkennung im Verlauf des Verfahrens in der Regel ein Infektionskettennachweis geführt werden muss. Hierzu ist es im Interesse der Mitarbeiter notwendig, dass in infektionsgefährdeten Arbeitsbereichen auch bei Bagatellverletzungen Umstände und Detailinformationen aktenkundig, nachvollziehbar festgehalten werden (z.B. Eintragung in ein Verbandbuch).
(aus "Sicherheitsforum" 3-2001)