Dicke Luft in Klassenräumen
Dieser Artikel soll zur Versachlichung einer Problematik beitragen, die allzu oft auch in Schulen Sachsen-Anhalts für Unruhe sorgte. Meldungen über Schadstoffkonzentrationen in Schulgebäuden wurden in der Vergangenheit oft so medienwirksam dargestellt, als handele es sich um einen Chemieunfall. Der Umgang mit diesem Thema zeigt aber ganz deutlich, dass noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten ist.
Es sei hier an die Schlagzeile aus der "Volksstimme" des Ohrekreises aus dem Jahr 2001 erinnert "Schon vier Krebskranke in einer Grundschule". Damit wurde viel Unruhe unter den Kindern, Eltern und Lehrern erzeugt. Erste Untersuchungen des messtechnischen Dienstes der Unfallkasse Sachsen-Anhalt und des damaligen Landeshygieneinstituts klärten den tatsächlichen Sachverhalt auf und relativierten das Problem. Die wirklichen Ursachen der Luftverunreinigung wurden nur den unmittelbar Beteiligten bekannt. Für die Wahrheit/Richtigstellung in dieser Sache gab es natürlich keine Schlagzeile. Aus den Erfahrungen und der umfangreichen Tätigkeit des messtechnischen Dienstes der Unfallkasse wissen wir, dass die Trefferquote bei der Aufspürung von Innenraumluftverunreinigungen in Bezug auf einzelne Chemikalien, d. h. bestimmten Emissionsquellen im Raum bei < 3 % liegt. Krankmachende Bau-Chemikalien sind eher selten.
Woher kommt dann die "dicke Luft”?
Es sind hauptsächlich die Nutzer der Innenräume, die dazu beitragen, dass ein wahrer "Duftcocktail" in den Klassenzimmern entsteht. Das Kohlendioxid und die damit verbundenen Geruchsbelästigungen sorgen für seine Entstehung. Wer kennt nicht die Situation (den Duft), wenn man plötzlich in ein Klassenzimmer oder Versammlungsraum eintritt, in dem sich schon längere Zeit viele Menschen aufhalten. Als Insasse eines solchen Raumes erlebt man diese Situation oft unbewusst als Unwohlsein mit Müdigkeit, Konzentrationsschwäche und häufig auch mit Kopfschmerzen.
Kohlendioxid im Innenraum
Viele kleine Verbrennungsmotoren (Schüler) sorgen für die Entstehung von Kohlendioxid. Zur Aufrechterhaltung unserer Lebensfunktionen müssen wir ständig Energien bereitstellen. So verbrennt der Mensch Kohlenhydrate zu Kohlendioxid und Wasser. Diese Verbrennungsprodukte in Gas und Dampfform gibt er dann an seine Umgebung ab. Dass es sich dabei nicht um ein geruchsloses Gas-Dampfgemisch handelt, liegt auf der Hand, denn jeder hat seine persönliche Note. Handelt es sich bei den üblichen Verbrennungsvorgängen um Holz, Kohle, Gas oder Öl benötigen wir Traubenzucker als Brennmaterial zur Energiegewinnung.
Diesen Stoffwechselprozess nennt man Atmung. Die eingeatmete frische Luft (sauerstoffreich und kohlendioxidarm) wird bei der Verbrennung teilweise verbraucht und verlässt unsere Lunge dann als verbrauchte Luft (kohlendioxidangereichert). Zum besseren Verständnis hier einige Kohlendioxidkonzentrationen in der Umgebungsluft:
- 0,033 - 0,04 Vol% Frischluft in freier Natur
- 0,07 Vol% Stadt mit starkem Fahrzeugverkehr
- 4,0 - 5,20 Vol% Ausatmungsluft
- 0,20 - 0,30 Vol% Innenraumluft bei Seminaren kurz vor der Pause (nach 1 h gemessen)
Ursache und Reaktionen auf zu viel Kohlendioxid
In Innenräumen ist der Mensch durch die Atmung die Hauptquelle für Kohlendioxid. Für jedes gebildete Volumen Kohlendioxid verschwindet entsprechend der Gleichung das gleiche Volumen Sauerstoff. Selbst unter sehr ungünstigen Bedingungen (z. B. bei geringem Luftwechsel) werden keine CO2-Konzentrationen erreicht, die toxisch wirken können. Da die CO2-Abgabe des Menschen etwa proportional mit der Ausscheidung von Geruchsstoffen ist, wird die CO2-Konzentration als Indikator für die Raumluftqualität verwendet, wenn nicht andere CO2-Emissionsquellen oder andere Geruchsquellen vorhanden sind.
Schon bei einer Verringerung des Sauerstoffgehaltes der Luft von z. B. 21 Vol% (Außenluftqualität) auf 20,5 Vol% durch CO2-Emission und dem damit verbundenen Anstieg der CO2-Konzentration von vorher 0,03 Vol% CO2 auf 0,53 Vol% CO2 sind gravierende Veränderungen eingetreten. Der Sauerstoffgehalt sinkt dabei um 2,5 % von der Ausgangskonzentration. Dagegen ist der Kohlendioxidwert auf etwa das 18-fache (1800 %) gestiegen. Auf eine derartige Erhöhung ist unser Organismus nicht vorbereitet. Symptome wie Müdigkeit und Kopfschmerz stellen sich ein. Neben dieser Erhöhung steigt auch der Anteil an Geruchsstoffen in der Luft, da dass ausgeatmete Kohlendioxid nicht chemisch rein ist. Die Luftqualität wird dann mit Recht als schlechte Luft (dicke Luft) empfunden. In vielen Jahren wissenschaftlicher Arbeit fanden amerikanische und russische Weltraumforscher heraus, dass der Mensch außer Kohlendioxid bis zu 150 flüchtige Stoffe an die Atmosphäre abgibt.
Wann wird es unbehaglich?
Diese Frage hat der berühmte Hygieniker Max von Pettenkofer (1818 - 1901) schon vor langer Zeit beantwortet. Er erkannte den Zusammenhang zwischen der CO2-Konzentration in der Luft und auftretenden Befindlichkeitsstörungen. Der nach ihm benannte "Pettenkofer'sche Behaglichkeitswert” ist bis heute ein Maßstab für gesundes Raumklima. Ein Richtwert von 0,1 Vol% CO2 (1000 ppm bzw. 1800 mg/m3) sollte nicht überschritten werden. Dieser Wert fand auch seinen Niederschlag im Normenwerk der Technik (DIN 1946 Teil 2 - Raumlufttechnik - Gesundheitstechnische Anforderungen). Richtwerte für Kohlendioxidkonzentrationen (aus DIN 1946 Teil 2):
0,10 Vol% (Empfehlung)
0,15 Vol% (Obergrenze)
Bessere Innenraumluft durch Lüften und Pflanzen
Bei der Feststellung von Innenraumschadstoffen wie z. B. Benzol, Formaldehyd und Xylol darf nicht vergessen werden, unter welchen Bedingungen die Messung erfolgte. Zur Aufspürung von Emissionsquellen im Raum ist es gängige Praxis, unter sogenannten "worst case"-Bedingungen zu messen, d. h. in Räumen, die zuvor mehrere Tage nicht gelüftet worden sind. Selbst unter diesen Messbedingungen gab es nur sehr selten Richtwertüberschreitungen.
Das regelmäßige Verdünnen der Innenraumluft (Lüftung) mit Frischluft ist nicht nur notwendig um den "Pettenkofer'-schen Behaglichkeitswert" einzuhalten, sondern vermindert auch die Schadstoffkonzentrationen in der Luft. Dass eine "gezielte Begrünung" von Innenräumen sich positiv auf die Innenraumluftverhältnisse auswirkt, wird oft vergessen.
Pflanzen geben auch Sauerstoff ab und sorgen mit ihrer Wasserabgabe für angenehme Luftfeuchte. Beim Vorhandensein bestimmter Luftschadstoffe ist die Wirkung einer "gezielten Begrünung" nicht zu unterschätzen, d. h. man sollte Pflanzen auswählen, die ein großes Aufnahmevermögen für bestimmte Luftschadstoffe haben. Hilfreiche Anhaltspunkte bei der Auswahl bestimmter Pflanzen enthält das Buch von B.C. Wolverton "Gesünder leben mit Zimmerpflanzen" (Die wichtigsten Pflanzen zur Beseitigung von Raumgiften in Wohnräumen und Büros.)
Wie sollte die Belüftung erfolgen?
Der CO2-Gehalt der Luft in Klassenräumen und somit die Lüftungszeiten sind u.a. abhängig von Raumgröße, Personenzahl, Fenstergröße und -anzahl, Außentemperatur und der Querlüftmöglichkeit. Die folgenden Punkte können zu Ihrer Orientierung dienen.
Morgens vor Unterrichtsbeginn sollten Fenster im Flurbereich, Eingangstüren und alle Fenster in den Klassenräumen, die zum Lüften vorgesehen sind, ca. 3-5 Minuten quergelüftet werden (oder 5 min Stoßlüftung). Das Schließen nicht vergessen!
Nach jeder Unterrichtsstunde sollten alle Fenster ebenfalls zum Lüften kurz geöffnet werden.
Zur Mitte einer Doppelstunde muss wenigstens eine kurze Lüftung erfolgen.
Verantwortlichkeiten zum Öffnen und Schließen der Fenster und Türen festlegen, z.B. einen sogenannten Lüftungsdienst einrichten.
Die ausschließliche Nutzung kleiner Fensteröffnungen (z.B. nur obere Kippflügel) bietet aus hygienischen und energetischen Gründen keine optimalen Lüftungsmöglichkeiten.
(aus "Sicherheitsforum" 3-2002)