Verantwortung von Führungskräften in technischen Bereichen
Jede betriebliche Aufgabe kann umgesetzt werden, durch informieren, beraten, entscheiden, durchführen oder kontrollieren.
Daraus ergibt sich auch die Verantwortung des Einzelnen. Der Begriff Verantwortung beschreibt die Pflicht, etwas zu tun oder zu unterlassen. Zum Beispiel Arbeitssicherheit zu gewährleisten, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter keinen arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren ausgesetzt sind, dass Gefährdungen beseitigt werden, dass Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten vorgebeugt und sicher gearbeitet wird.
Arbeitsschutzvorschriften richten sich in erster Linie an den Unternehmer (Arbeitgeber). Unternehmer ist derjenige, auf dessen Weisung und Rechnung das Unternehmen handelt, der das Risiko trägt, die Unternehmensziele bestimmt sowie die Personal- und Sachmittelhoheit besitzt. Er trägt die Gesamtverantwortung - auch für den Arbeitsschutz. Unternehmer im öffentlichen Bereich sind bspw. die Länder, kreisfreien Städte, Landkreise und Gemeinden sowie deren vertretungsberechtigte und zum Handeln verpflichtete Organe wie Bürgermeister, Landräte, Dienststellenleiter usw.
Die Pflichten und die Verantwortung der Unternehmer für den Arbeits- und Gesundheitsschutz ergeben sich aus einer Reihe gesetzlicher Vorschriften:
- Bürgerliches Gesetzbuch (§§ 618, 619 Pflicht zu Schutzmaßnahmen),
- Arbeitsschutzgesetz (§ 3 Grundpflichten des Arbeitgebers, § 4 Allgemeine Grundsätze),
- Sozialgesetzbuch VII (§§ 21, 209 Verantwortung des Unternehmers),
- UVV "Allgemeine Vorschriften" (§ 2 Allgemeine Anforderungen),
- Arbeitssicherheitsgesetz (§ 16)
Pflichtenübertragung
Unternehmer können sich in der Regel nicht um alles selbst kümmern. Deshalb ist für sie die Pflichtenübertragung ein Instrument zur Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes. So kann der Unternehmer zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich beauftragen, ihm nach staatlichen Rechtsvorschriften oder Unfallverhütungsvorschriften obliegende Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen. Dabei sind der Verantwortungsbereich, die Aufgaben und Pflichten sowie die Befugnisse klar festzulegen und vom Beauftragten zu unterzeichnen. Eine Ausfertigung der Beauftragung ist ihm auszuhändigen. Die Pflichtenübertragung kann auch durch den Arbeitsvertrag erfolgen, soweit die entsprechenden Angaben enthalten sind . Die schriftliche Fixierung liefert im Zweifelsfall den Beweis, dass die Aufgaben übertragen wurden und die beauftragte Person ordnungsgemäß bestellt ist.
Mit der Übertragung von Sachaufgaben und Sachkompetenzen, der Wahrnehmung von Führungsaufgaben und der Weisungsbefugnis gegenüber Mitarbeitern ist zwingend auch die Zuständigkeit für die Arbeitssicherheit und Unfallverhütung im übertragenen Aufgabenbereich verbunden. Eine Vorgesetztenfunktion ohne Pflichtenübertragung und Verantwortlichkeit auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes gibt es daher im Grunde nicht. Beauftragte Personen können bspw. Abteilungsleiter, Bauhofleiter, Werkstattleiter, Meister, Vorarbeiter oder Schichtführer sein. Fachkundig sind diese Personen, wenn sie über das einschlägige Fachwissen und die praktische Erfahrung verfügen, um die ihnen obliegenden Aufgaben sachgerecht auszuführen. Zur Zuverlässigkeit gehört die Aufgabenausführung mit der gebotenen Sorgfalt.
Inhaltlich verlangt die Pflichtenübertragung, dass
- die übertragenen Unternehmerpflichten nach Art und Umfang hinreichend genau beschrieben sind,
- der beauftragten Person die erforderlichen Handlungskompetenzen und Entscheidungsbefugnisse eingeräumt werden, um selbständiges Handeln zu ermöglichen (z.B. Verfügungsbefugnis über finanzielle Mittel),
- die Schnittstellen zu benachbarten Verantwortungsbereichen eindeutig festgelegt und die Zusammenarbeit mit anderen Verpflichteten geregelt sind.
Wenn der beauftragten Person die zur Wahrnehmung erforderlichen Weisungsbefugnisse sowie die organisatorischen, personellen und finanziellen Entscheidungs- und Handlungsfreiheiten eingeräumt sind, können die nach den Unfallverhütungsvorschriften obliegenden Unternehmerpflichten vollständig übertragen werden. Der Beauftragte übernimmt dann die Pflichten des Unternehmers zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren im festgelegten Umfang. Er nimmt für seinen Verantwortungsbereich die Rechtsstellung des Unternehmers im Betrieb ein, mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten. Die beauftragte Person ist nunmehr selbst für die Durchführung erforderlicher Arbeitsschutzmaßnahmen verantwortlich.
Der Unternehmer bleibt aber weiter für die Aufsicht und Kontrolle verantwortlich, d.h. er muss die Umsetzung seiner übertragenen unternehmerischen Pflichten auch wirklich kontrollieren ("Oberkontrollpflicht"). Die ordnungsgemäße Erfüllung der übertragenen Aufgaben hat er stichprobenartig zu prüfen. Diese Aufsichts- und Kontrollverpflichtung ist nicht übertragbar.
Die beschriebene Pflichtenübertragung kann unter Berücksichtigung der entsprechenden Sachverhalte auch in nachgeordneten Bereichen (bspw. Bauhof oder Straßenmeisterei) zur Anwendung kommen. Grundsätzlich sind alle Unternehmerpflichten an alle Mitarbeiter im Betrieb übertragbar.
Jede Führungskraft, die in ihrem Zuständigkeitsbereich Verantwortung an andere delegiert, behält jedoch immer die eigene Verantwortung für
- die Auswahl (Die richtige Person auf den richtigen Platz setzen.),
- die Organisation (Sagen, wo es lang geht.),
- die Kontrolle (Sich davon über zeugen, ob...)
- und die Meldung (An den nächsten Vorgesetzten, wenn eigene Möglichkeiten erschöpft sind.).
Auch hier kann die übergeordnete Aufsichtspflicht niemals "nach unten" delegiert werden. Eine Weg-Delegation von Verantwortung gibt es nicht, die Aufsichtsverantwortung bleibt immer beim Delegierenden (§ 130 Abs. 1 OwiG). Das ist besonders wichtig, wenn es um Schuldfragen nach Arbeitsunfällen geht.
Haftung und Rechtsfolgen
Verantwortung kann auch unangenehme Folgen haben, besonders dann, wenn durch schuldhaftes Verhalten (Tun oder Unterlassen) die Frage der Haftung aufgeworfen wird. Haftung bedeutet z. B. die Auferlegung eines Bußgeldes, Regressmaßnahmen durch den Unfallversicherungsträger oder sogar die Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung. Im Schadensfall fragt die Justiz nicht nur nach der korrekten Aufgabenerfüllung durch die vom Arbeitgeber Verpflichteten, sondern auch, ob der Arbeitgeber seiner Aufsichtspflicht gegenüber den verpflichteten Führungskräften nachgekommen ist. Es kommt zu Fragestellungen, wie
- Sind Sicherheitseinrichtungen im erforderlichen Umfang geschaffen wurden?
- Sind geeignete Führungskräfte ausgewählt worden?
- Waren diese in der Lage, ihren Organisationsbereich und unterstellte Mitarbeiter richtig zu führen?
- Wurde in ausreichendem Maße Aufsicht über Sachen, organisatorische Regelungen und Personen geführt?
Verantwortung ist also auch die Pflicht, für Handlungen - sei es in Form des Tun oder des Unterlassens - einzustehen und die daraus resultierenden Folgen zu tragen. Bspw. besteht der Vorwurf eines Organisations-/Aufsichtsverschuldens für eine (obere) Führungskraft zu Recht bei Erteilung unklarer Anweisungen, fehlender Kompetenzzuweisung, unzureichender Information und fehlender Kontrolle. Eine (untere) Führungskraft trifft dagegen u.U. kein Handlungsverschulden, wenn trotz vollzogener Meldung und erfolgter Rückfragen weiterhin Unkenntnis über das "Was und Wie" besteht. Nach Arbeitsunfällen, Wegeunfällen und bei Berufskrankheiten können sich die möglichen Rechtsfolgen aus dem Zivilrecht (Ersatzansprüche der Verletzten, z. B. Sachschäden), dem Arbeitsrecht (Abmahnung, Kündigung), dem Ordnungswidrigkeitenrecht (bspw. bei vorsätzlichem oder fahrlässigem Verstoß gegen bußgeldbewehrte Paragraphen von Unfallverhütungsvorschriften) oder dem Strafrecht ergeben.
Führungsregeln
Zum Führen gehören alle Maßnahmen, mit denen ein Vorgesetzter auf andere (unterstellte Führungskräfte, Aufsichtsführende und Mitarbeiter) Einfluss nehmen kann. Solche Führungsregeln sind: Vorbild sein, Gespräche führen, argumentieren, Mitarbeiter betreuen und motivieren (fördern, beurteilen, loben, kritisieren, beachten, anerkennen, beobachten, auszeichnen, prämieren), Mitarbeiter einsetzen und unterweisen (anweisen, einweisen, informieren, belehren, schulen, instruieren, trainieren, anleiten, ausbilden, hinweisen), Mitarbeiter und Einrichtungen kontrollieren (Stichproben und Erfolgskontrollen, Ergebnis- und Endkontrollen mit Maßnahmen, wie loben, tadeln, kritisieren, verwarnen, Frist setzen), Vorkommnisse melden (besondere Vorkommnisse, Mängel, unzureichende Möglichkeiten, wesentliche Hindernisse, große Schwierigkeiten) und getroffene Maßnahmen dokumentieren.
Notwendige Maßnahmen
Die bestehenden Möglichkeiten einer Führungskraft und die Notwendigkeiten etwas im Rahmen der eigenen Verantwortung für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz zu tun, sind sehr vielfältig, ebenso die daraus resultierenden Maßnahmen und Vorgehensweisen. Beachtenswerte Anhaltspunkte sind bspw.:
- Einhaltung von Unfallverhütungsvorschriften und staatlichen Arbeitsschutzvorschriften (keine Ausnahmen zulassen, gelegentlich davon überzeugen)
- Berücksichtigung des Arbeitsschutzes bei Planung, Beschaffung und Instandhaltung (Verfahren regeln)
- Ermittlung von betrieblichen Gefährdungen und Belastungen (Gefährdungsbeurteilung durchführen und dokumentieren)
- Bereitstellung sicherer Werkzeuge, Geräte, Maschinen und Anlagen sowie geeigneter persönlicher Schutzausrüstung (keine Duldung von Mängeln oder der Außerkraftsetzung von Schutzvorrichtungen)
- Anweisung an Mitarbeiter bereitgestellte PSA zu benutzen (konsequent bleiben, nicht locker lassen)
- Nachhaltige Unterweisung der Mitarbeiter (besser mehr als zu wenig, Mitarbeiter müssen in der Lage sein, die Arbeit fachlich richtig und sicherheitsgerecht auszuführen, Verwendung der Ergebnisse der dokumentierten Gefährdungsbeurteilung, Erstellung von Gefahrstofflisten und Betriebsanweisungen)
- Besonders intensive Unterweisung für Mitarbeiter, die überdurchschnittlich gefährdet sind (Sinn und Nutzen der festgelegten Sicherheitsmaßnahmen erläutern, Stellenwert herausstellen)
- Klare, eindeutige Anweisungen geben (richtige Form und geeigneten Zeitpunkt wählen, Befähigung der Mitarbeiter zur Aufgabenerfüllung beachten, Sicherheit einbeziehen, denn fachlich gute Arbeit und Sicherheit sind nicht voneinander zu trennen,)
- Mit System kontrollieren (Vertrauen, dass Anweisungen befolgt werden ist gut, eine regelmäßige Kontrolle besser, überzeugen durch stichprobenartiges kontrollieren nach festgelegtem Kontrollplan)
- Aufzeichnungen machen (regelmäßige Notizen genügen, gibt Überblick, bei Bedarf nachvollziehbar, kann u.U. entlasten)
- Weitermeldung, wenn eigene Möglichkeiten erschöpft sind (Kompetenzen sind beschränkt, nicht jede Gefahr kann selbst behoben werden, rechtzeitig übergeordnete Führungskräfte einschalten, bei akuter Gefahr selbst handeln - erst Arbeit stoppen, dann Meldung)
- Mit gutem Beispiel vorangehen (immer wieder vormachen, wie sicher gearbeitet wird, dadurch glaubwürdig und vorbildlich im Verhalten)
- Der eigene Verantwortungsbereich ist die Visitenkarte
- Zusammenarbeit mit dem Personalrat (nicht vergessen ihn einzubeziehen)
- Sich unterstützen lassen (durch Fachkraft für Arbeitssicherheit, Betriebsarzt, Sicherheitsbeauftragte)
- Für gutes Betriebsklima einsetzen (unzufriedene, nicht motivierte Mitarbeiter neigen zu Fehlhandlungen)
- Bereitschaft zum Zuhören zeigen (offenes Ohr für die persönlichen Sorgen der Mitarbeiter, stark belastete Mitarbeiter sind durch Ablenkung gefährdet und können andere gefährden)
- Gewinnen der Mitarbeiter für Sicherheit und Gesundheitsschutz (Möglichkeiten sind vorhanden, Führungsmittel einsetzen, informieren und motivieren, klarmachen, dass sich Sicherheit und Gesundheitsschutz lohnen)
- Nicht mit Anerkennung sparen (diese motiviert, verschafft Befriedigung und bahnt der Sicherheit den Weg, unverzichtbares Führungsmittel)
Ergänzende Informationen beinhalten die Broschüren "Suchtprobleme im Betrieb - Alkohol, Medikamente, illegale Drogen" (GUV- I 8562), "Aufgaben, Pflichten, Verantwortung und Haftung im innerbetrieblichen Arbeitsschutz" (GUV-I 8563), "Organisation des Arbeitsschutzes - Städte und Gemeinden" (GUV- I 8565) sowie das gleichnamige Faltblatt (GUV- I 8564).
(aus "Sicherheitsforum" 4-2004)