Innenraumluftqualität in Klassenräumen

In Schulen wird manchmal über gesundheitliche Probleme wie Kopfschmerzen, Müdigkeit oder Reizungen der oberen Atemwege und Augen geklagt. Die Ursachen für derartige Belastungen können sehr vielfältig sein, z.B. in der Anreicherung von chemischen und biologischen Stoffen in der Raumluft durch unzureichende Lüftung oder in unangenehmen Gerüchen, meist nach Sanierungen von Räumen bzw. Gebäudeteilen.

Messung der Innenraumluftqualität

Hinzu kommt, dass Gebäudehülle und Fenster aufgrund energetischer Vorgaben aus dem Baurecht regelrecht luftdicht gemacht werden und somit notwendige Luftzirkulationen weitgehend verhindern. Einige dieser Ursachen werden nachfolgend näher betrachtet.

Kohlendioxid

Kohlendioxid wird beim Atmen freigesetzt. Gerade in Klassenräumen, in denen sich viele Personen aufhalten, kann es schnell zum Anstieg der Konzentration dieses Stoffes kommen.

Bereits vor 150 Jahren wies der deutsche Chemiker und Hygieniker Max von Pettenkofer auf den Tatbestand der "schlechten Luft" beim längeren Aufenthalt in Wohnräumen und Lehranstalten hin und identifizierte das Kohlendioxid als wichtige Leitkomponente für die Beurteilung der Raumluftqualität. Er legte als Maßstab einen lange Zeit geltenden CO2 - Richtwert von 0,1 Vol-% (= 1000 parts per million - ppm) in Innenräumen fest, die so genannte Pettenkoferzahl. Ab dieser Konzentration können erste Befindlichkeitsstörungen wie Kopfschmerzen, Müdigkeit und Unaufmerksamkeit auftreten. Als hygienischer Richtwert gilt heute in Deutschland nach DIN 1946 Teil 2 ein CO2 - Wert von 0,15 Vol-% (= 1500 ppm).

Die Außenluft enthält durchschnittlich einen Kohlendioxid-Anteil von 350 ppm. In einem Klassenraum steigt dieser Anteil allein durch die Atemluft von Schülern und Lehrern innerhalb einer Unterrichtsstunde auf über 1500 ppm an, nach 90 Minuten wurden bei Messungen schon Werte von 2700 ppm festgestellt. Letztendlich führt dies zu erhöhter Müdigkeit und abnehmender Aufmerksamkeit. Die Lösung des Problems ist ganz einfach: Fenster auf!

Es empfiehlt sich, bereits nach 20 oder 25 Minuten eine kurze Lüftung mit weit geöffnetem Fenster durchzuführen. Bereits 2 Minuten sind hier ausreichend. In der Pause sollten die Fenster auf jeden Fall geöffnet werden. Dieses Ritual muss für jeden Lehrer selbstverständlich und zur Angewohnheit werden. Bei natürlichem Luftwechsel über weit geöffnete Fenster beträgt die Luftwechselzahl etwa 10 - 20 pro Stunde, was notwendig ist, um das ausgeatmete Kohlendioxid aus der Raumluft in ausreichendem Maße abzuführen. Einen noch höheren Effekt bringt Querlüftung. Diese ist vor allem zu empfehlen, wenn die Kinder zur Hofpause sind.

Feinstaub

Feinstaub wird über Schuhwerk, Kleidung und Gegenstände in die Räume eingetragen, aber auch durch Verbrennungsprodukte in der Außenluft (Dieselruß), durch Pollen oder Kreidestaub. In einer Berliner Studie wurde festgestellt, dass der Feinstaubgehalt in Innenräumen doppelt so hoch war wie in der Außenluft.

Zur Verringerung der Feinstaubbelastung trägt neben einer effektiven Lüftung auch die regelmäßige Feuchtreinigung bei. In der DIN 77400 "Reinigungsleistungen - Schulgebäude - Anforderungen an die Reinigung" werden Mindestanforderungen an die Reinigung von Schulgebäuden und Sporteinrichtungen festgelegt. Flure und Treppenhausbereiche sind bspw. täglich zu reinigen, da diese schnell verschmutzen.

Flüchtige organische Verbindungen

Als flüchtige organische Verbindungen (VOC - aus dem Englischen für Volatile Organic Compounds) werden nach internationalen Empfehlungen organisch-chemische Verbindungen des Siedebereiches von ca. 50 - 260° C bezeichnet. Diese Stoffe gelangen besonders nach Bau- und Renovierungsarbeiten kurzzeitig (Tage bis einige Wochen) in verstärktem Maß in die Raumluft. Ganz vermeiden lassen sich solche VOC-Einträge nicht. Erhöhte Konzentrationen können durch geeignete Auswahl von Bauprodukten und Materialien sowie durch intensives Lüften während und nach der Beendigung der Arbeiten vermindert werden.

Richtwerte zur Beurteilung der Innenraumluft

Es gibt in Deutschland und Europa keine umfassend rechtsverbindliche Regelung für Qualitätsanforderungen an die Innenraumluft. Es existiert jedoch eine Anzahl von Beurteilungswerten, die z.B. Richtwerte, Orientierungswerte oder Zielwerte genannt werden.

Toxikologisch begründete Richtwerte sind dadurch gekennzeichnet, dass sie auf geeigneten Erkenntnissen zu toxischen Wirkungen und Dosis-Wirkungsbeziehungen des jeweiligen Stoffes basieren. Oft enthalten sie Sicherheitsabstände, um auch empfindliche Personen zu schützen. Die Festlegung dieser Werte obliegt der Ad-hoc-Arbeitsgruppe Innenraumrichtwerte der Innenraumlufthygiene-Kommission des Umweltbundesamtes und der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden. Es gibt einen Richtwert I, der besagt, dass auch bei lebenslanger Exposition keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erwarten sind. Bei einem Richtwert II besteht unverzüglicher Handlungsbedarf nach dessen Erreichen bzw. Überschreiten. Solche Werte wurden z.B. für Toluol, Dichlormethan, Kohlenmonoxid, Styrol und Naphtalin festgelegt.

Die meisten Richtwerte sind statistisch definierte Werte. Diese Referenzwerte bilden die allgemein vorhandene Exposition gegenüber einem Stoff (Hintergrundbelastung) ab und geben keinen Aufschluss über eine Gesundheitsgefährdung. Es gibt z.B. eine Reihe von Messwerten in Wohnräumen, die als Zahlenwerte angegeben werden. Als (oberer) Referenzwert gilt das 95. Percentil der Stoffkonzentration in dem für die Referenzpopulation untersuchten Umweltmedium. Die Festlegung auf das 95. Percentil stellt eine international akzeptierte Konvention dar. Wird dieser Wert überschritten, stellt das eine Auffälligkeit dar, deren Ursache ermittelt und möglichst durch geeignete Maßnahmen beseitigt werden sollte.

Zielwerte sollen anzustrebende Innenraumluftkonzentrationen darstellen, unterhalb derer auch bei langfristiger Exposition keine gesundheitlichen Bedenken für die gesamteBevölkerung bestehen. Sie entsprechen den 50-Percentil-Werten.

Hygienische Gesamtbeurteilung für VOC

Die Ad-hoc-AG IRK/AOLG hat darüber hinaus für den Gesamtgehalt an flüchtigen organischen Verbindungen Empfehlungen zur Begrenzung der Raumluftkonzentration erarbeitet. Die TVOC-Beurteilung (Gesamtsumme aller flüchtigen organischen Verbindungen) gliedert sich in 5 Stufen. Voraussetzung ist, dass toxikologisch begründete Richtwerte von Einzelstoffen dabei nicht überschritten werden.

Bei der Stufe 1 liegen die TVOC- Werte unterhalb von 0,3 mg/m3, welche hygienisch unbedenklich sind, sofern keine Einzelstoffrichtwerte überschritten werden. Sie werden als "Zielwert" (hygienischer Vorsorgebereich) bezeichnet und sind mit ausreichend zeitlichem Abstand nach Neubau oder Renovierungsmaßnahmen in Räumen anzustreben bzw. nach Möglichkeit zu unterschreiten. In Stufe 2 liegen die TVOC-Werte zwischen > 0,3 und 1 mg/m3 und können als hygienisch noch unbedenklich eingestuft werden. Dieser Konzentrationsbereich weist z.B. auf noch nicht völlig ausgelüftete Lösemitteleinträge hin und zeigt die Notwendigkeit verstärkten Lüftens an. Die Stufen 3 bis 5 gelten als hygienisch auffällig, bedenklich und inakzeptabel.

Bei Messungen durch die Unfallkasse wurden in den meisten Fällen die Stufen 1 oder 2 erreicht. Nur manchmal traten auffällige Konzentrationen von Einzelstoffen auf, deren Ursachen dann ermittelt werden mussten.

Formaldehyd

Formaldehyd (Methanal) ist einer der bekanntesten und am besten erforschten Luftschadstoffe in Innenräumen. Durch die vielfältige industrielle Anwendung bei der Herstellung von Holzwerkstoffen, Dämmmaterialien und Farben ist die Substanz in der Raumluft üblicherweise nachweisbar. Holzwerkstoffe (z.B. Spanplatten) bzw. Produkte aus Holzwerkstoffen, wie z.B. Möbel, Türen, Paneele, sind nach wie vor die wichtigste Quelle für Formaldehyd in Innenräumen.

Die Chemikalienverbotsverordnung schreibt vor, dass nur solche Holzwerkstoffplatten in den Handel gebracht werden dürfen, die nachgewiesenermaßen eine Ausgleichskonzentration von 0,1 ppm unter definierten Prüfbedingungen nicht überschreiten ("Emissionsklasse E1"). Besonders formaldehydarme Holzwerkstoffprodukte (Ausgleichskonzentration in der Prüfkammer < 0,05 ppm unter definierten Bedingungen) sind am Umweltzeichen Blauer Engel zu erkennen.

Als gesundheitliche Wirkung bei der Exposition mit Formaldehyd in Innenräumen steht die Reizwirkung auf Schleimhäute im Vordergrund. 2004 wurde Formaldehyd als "krebserzeugend für den Menschen" eingestuft, weil es bei lang anhaltender hoher Konzentration dieses Stoffes an früheren Arbeitsplätzen zur Entzündung der Nasenschleimhaut führte, aus der sich Krebs entwickeln konnte.

Formaldehyd kann bei empfindlichen Personen schon ab 0,03 mg/m3 geruchlich wahrgenommen werden. Bereits 1977 empfahl das Bundesgesundheitsamt einen Formaldehyd-Richtwert von 0,1 ppm (= 0,12 mg/m3) in der Innenraumluft. Dieser Wert wurde 2006 vom Bundesinstitut für Risikobewertung überprüft und bestätigt. Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe der Innenraumlufthygiene-Kommission schloss sich diesem Vorschlag an. Nach Ansicht dieser Gremien besteht unterhalb von 0,1 ppm Formaldehyd kein nennenswertes Krebrisiko.

Luftfeuchtigkeit

Die Luftfeuchtigkeit bezeichnet den Wasserdampfgehalt in der Luft. Warme Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen als kalte Luft. So sinkt im Winter die relative Luftfeuchte, wenn kalte Außenluft in den Innenraum gelangt und erwärmt wird. Die Luft wird dabei "trockener". Der Mensch verfügt aber über kein Sinnesorgan, mit dem er die Luftfeuchte konkret einschätzen könnte.

Eine weit verbreitete Annahme ist, dass durch eine geringe relative Luftfeuchte die Schleimhäute austrocknen und dadurch Erkältungskrankheiten begünstigt werden. Diese Annahme bestätigte das BGIA (Berufsgenossenschaftliche Institut für Arbeitsschutz) im Rahmen einer Literaturstudie aber nicht. Normalerweise wird die eingeatnete Luft durch die Nasenschleimhäute befeuchtet, so dass auch unter ungünstigen Klimabedingungen keine gesundheitlichen Risiken resultieren. Gegebenenfalls besteht allerdings ein erhöhter Flüssigkeitsbedarf, um die an die Luft abgegebene Feuchtigkeit zu ersetzen.

Die Luftfeuchtigkeit in Räumen sollte möglichst nicht unter 40 % sinken, um elektrostatische Aufladungen und längeres Verweilen von Staub in der Luft zu vermeiden. Werden mobile Luftbefeuchter eingesetzt, sollten diese nach Möglichkeit ein BG-PRÜFZERT-Zeichen besitzen, wobei auch diese regelmäßig gereinigt werden müssen.

Dieser Artikel sollte nur einige Ursachen möglicher körperlicher Beeinträchtigungen durch Innenraumluftverunreinigungen bzw. -problemen aufzeigen. Ausführlichere Informationen zu einzelnen Verunreinigungen der Innenraumluft, über hygienische, bauliche und raumklimatische Anforderungen und die Vorgehensweise in Beschwerdefällen enthält z.B. der "Leitfaden für die Innenraumlufthygiene in Schulgebäuden". Er kann beim Umweltbundesamt kostenlos bezogen oder aus dem Internet heruntergeladen werden. Darüber hinaus können sich Mitgliedsbetriebe und Versicherte bei ähnlichen Problemen jederzeit an die Unfallkasse wenden. Die Unterstützung erfolgt dann im Rahmen vorhandener Möglichkeiten.

(Auszug aus "Sicherheitsforum" 2-2009)